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Thema: Interessantes Gerichtsurteil |
Heute im Münchner Merkur:
Dilemma vor Gericht: Mofa oder Moped?
München - Ein Mofa für 560 Euro, kein Führerschein nötig: Bei diesem Angebot schlug Sevket E. (49) zu - und sollte später 1100 Euro Strafe zahlen. Zu Unrecht, stellte das Landgericht München nun klar.
Sevket E. mit dem Corpus Delicti: Bis das Urteil rechtskräftig ist, fährt er vorsichtshalber nur auf seinem Grundstück.
Sevket E. (49) hat keinen Führerschein. Trotzdem will sich der Plastikspritzer aus Murnau irgendwie fortbewegen. Kein Problem, versprach eine Werbung des „Netto“-Marktes: Das Mofa „Rex RS 400“ wurde dort angeboten, für 560 Euro, nur 25 Stundenkilometer schnell, fahrbar auch ohne Führerschein. Sevket E. bestellte das Gefährt, fragte vorsichtshalber noch in einer Werkstatt und einem Fachgeschäft nach: „Alle haben gesagt, ich darf es fahren.“ Weil er vor 1965 geboren wurde, braucht er nicht mal eine Mofa-Prüfbescheinigung. Doch die Polizei sah trotzdem ein Problem: Weil das Mofa Platz für einen Sozius biete, handele es sich um ein Moped, befanden die Beamten bei einer Verkehrskontrolle - und schrieben eine Anzeige wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis.
Der Fall landete im Juli dieses Jahres vor dem Amtsgericht in Garmisch - und tatsächlich wurde Sevket E. zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen á 55 Euro verurteilt. Er ging in Berufung - und bekam nun vom Landgericht München Recht. Es handele sich um ein generelles Rechtsproblem und nicht um einen Fehler des Angeklagten, sagte die Richterin.
Tatsächlich wird die Frage, ab wann ein Mofa zum Moped wird, in einschlägigen Internetforen kontrovers diskutiert. Laut Fahrerlaubnis-Verordnung sind „einspurige, einsitzige Fahrräder mit Hilfsmotor“ von der Führerschein-Pflicht ausgenommen, wenn sie nicht schneller als 25 Stundenkilometer fahren - so wie eben auch das Mofa von Sevket E. Allerdings nahmen die Beamten Anstoß an der Länge der Sitzbank: Mit 55 Zentimetern sei Platz für einen Mitfahrer, zudem habe das Gefährt Fußstützen für einen Sozius. „Es wäre kein Problem gewesen, wenn es einsitzig gewesen wäre“, erklärte der Polizist vor Gericht, der Sevket E. gestoppt hatte. Doch in der Betriebserlaubnis ist das Mofa als einsitzig beschrieben. Der Otto-Versand bietet das Modell bis heute als Mofa an.
Um nun eine Lösung des Problems zu finden, suchte der Anwalt von Sevket E., Richard Schmitt, nach einer Regelung zur Länge der Sitzbank - und wurde auf EU-Ebene fündig: Die Europäische Gemeinschaft (EG) hat im Jahr 2002 eine Richtlinie erlassen, derzufolge „die Länge der Sitzbank für die Klassifizierung der Einsitzigkeit nicht relevant“ ist. Das bestätigte das Kraftfahrt-Bundesamt schriftlich. Verboten seien klappbare Fußrasten - an dem Mofa von Sevket E. waren sie aber fest montiert. „Das ist für mich neu“, räumte der Polizist vor Gericht ein. „Es gibt keine Definition vom Gesetzgeber, was als einsitzig zu verstehen ist“, brachte die Staatsanwältin das Dilemma auf den Punkt. „Das kann aber nicht dem Angeklagten angelastet werden.“
So beantragte am Ende sogar die Vertreterin der Anklage einen Freispruch für Sevket E. - und kündigte an, die Polizei auf die EG-Richtlinie hinzuweisen. Die Richterin hob das Garmischer Urteil auf und sprach Sevket E. frei. „Das Kraftfahrt-Bundesamt ist die maßgebliche Behörde, dort ist das Problem bekannt“, sagte sie. Eine endgültige Lösung liege beim Gesetzgeber.
Viele Grüße
Herbi_EBE
Für meine Freunde gehe ich durchs Feuer,
den anderen zeige ich den Weg dorthin.
Diplomatie ist, jemanden so zur Hölle zu schicken, das er sich auf die Reise dorthin freut!
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Wir wollen zwar die "Vereinigten Staaten von Europa" sein, sind aber tatsächlich ein Verbund von Bananenrepubliken. Jeder wurschtelt vor sich hin. Noch nicht einmal innerhalb Deutschlands funktioniert der Informationsaustausch.
Ich freue mich für Sevket E., dass er gewonnen hat. Aber auch darüber, dass der Amtsschimmel mal wieder Ausgang hatte.
In diesem Sinne
Gruß
aus Colonia Claudia Ara Agrippinensium
Andreas
Ich möchte nichts mit Naturkost zu tun haben. In meinem Alter braucht man alle Konservierungstoffe, die man kriegen kann.
George Burns (1896-1996)
(PS: Für eventuelle Schreibfeler ist meine Tastatur zuständig)
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